Winterstromlücke verringern dank Staudamm-Erhöhung Göscheneralp
Der Urner Umweltrat hat den Urner Regierungsrat mit einem Schreiben aufgefordert, die Verhandlungen mit der KW Göschenen AG über eine Erhöhung des Staudamms Göscheneralp wieder aufzunehmen. Diese waren vor zehn Jahren an Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Restwertes zum Zeitpunkt des Heimfalls 2043 gescheitert. Die Voraussetzungen haben sich in der Zwischenzeit geändert.
Vor genau 10 Jahren, am 6. Juli 2011, gab die Kraftwerk Göschenen AG (KWG) den Abbruch des Projekts Staudamm-Erhöhung bekannt. Gemäss ihrer Medienmitteilung war entscheidend, dass sich die KWG mit Kanton und Korporation nicht über den Restwert zum Zeitpunkt des Heimfalls im Jahr 2043 einigen konnten. Die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens sei damit nicht gesichert. Die Urner Umweltorganisationen haben diesen Entscheid zu einem energiepolitisch sinnvollen Projekt bedauert und bedauern ihn noch immer. Dies umso mehr, als sie damals ihr Einverständnis zur Erhöhung der Staumauer um 8 m gegeben hatten und die nötige Umzonung und die Baubewilligung bereits vorlagen. Deshalb haben sich deshalb am 24. Juni mit einem Brief an den Regierungsrat gewandt.
Chance für Winterstromversorgung
Die Staudammerhöhung bietet die Chance, einen wichtigen Beitrag zur Winterstromversorgung zu leisten und wirkt sich nicht nur für das KW Göschenen positiv aus, sondern auch für die nachgelagerten Kraftwerke Wassen und Amsteg. Dieser Aspekt der Verlagerung von Energie vom Sommer ins Winterhalbjahr wird im Rahmen der Energiestrategie mit einer zunehmenden Bedeutung der Elektrizität für Wärmepumpen und Mobilität immer wichtiger. «Die im Urner Umweltrat zusammengeschlossenen Organisationen bitten deshalb den Regierungsrat und die CKW, die Verhandlungen mit der KWG über eine Staudammerhöhung wieder aufzunehmen», sagt Pia Tresch, Geschäftsstellenleiterin von Pro Natura Uri.
Vorteilhaftere Rahmenbedingungen
Seit dem Abbruch der Verhandlungen haben sich die Voraussetzungen entscheidend geändert. Im neuen Energiegesetz des Bundes von 2016 sind Investitionsbeiträge für die Grosswasserkraft in der Grössenordnung bis 40% vorgesehen. Die Energieförderungsverordnung von 2017 nennt die Voraussetzungen: dass das nutzbare Speichervolumen sowohl um mindestens 15 Prozent als auch um 150‘000 Kubikmeter vergrössert wird. Diese Werte kann das Projekt Göscheneralp einhalten. Heute beträgt der Anteil der speicherbaren Energie im Göscheneralpsee nur 29 Prozent, viel weniger als in vielen andern Stauseen der Schweiz (Bundesamt für Energie BFE – Wasserkraft: die speicherbare Energie (admin.ch). Am 11. November 2020 hat der Bundesrat sein Ziel erneut bekräftigt, die Speicherwasserkraft bis 2040 um 2 TWh Winterstrom zu vergrössern (Der Bundesrat will eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (admin.ch)).
Nutzung von Gotthardausbruch?
Ein weiterer seit dem Verhandlungsabbruch dazu gekommener Aspekt könnte die Umweltbilanz einer Staudammerhöhung auf der Göscheneralp zusätzlich verbessern: Im Jahr 2016 stimmte das Schweizer Volk dem Bau der zweiten Tunnelröhre für den Gotthard-Strassentunnel zu. Harriet Kluge, Geschäftsleiterin des VCS Uri: «Es wäre mindestens zu prüfen, ob ein Teil des Ausbruchmaterials für die Staudammerhöhung genutzt und so die für die Materialgewinnung vorgesehenen Abbaugebiete unterhalb des Dammes geschont werden können.»
Vielfalt an der Meienreuss erhalten
Demgegenüber sind die Umweltorganisationen nach wie vor der Meinung, dass die geplante zusätzliche Nutzung der Meienreuss für die Elektrizitätserzeugung aus der Sicht des Naturschutzes nicht vertretbar ist. Auch energiepolitisch macht das Projekt wenig Sinn, weil es wiederum nur die Sommerstromproduktion erhöht, die sich zudem wegen der tiefen Tarife auch wirtschaftlich kaum rechnet. Fabian Haas, Geschäftsleiter des WWF Uri beschreibt die finanzielle Alternative: «Mit dem «Landschaftsrappen» könnte Uri ohne Eingriff in die wertvolle Landschaft und ohne Zerstörung des letzten grossen Wildbachs des Kantons trotzdem in einem gewissen Masse finanziell profitieren.»
Nachtrag 2.6.2022: Inzwischen denken die CKW und die Kraftwerke Göschenen AG (KWG) auch über eine Erhöhung nach. Urner Zeitung, 2.6.2022